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Iowa

Ein Jahr im Ausland zur Schule gehen

HCG-Schülerin Linnea berichtet – strahlend – aus Amerika

Hi, ich bin Linnea, mittlerweile 18, und ich verbringe gerade mit dem PPP Stipendium ein Jahr in den USA. Ich habe schon einmal einen Text für die Homepage geschrieben, aber weil das vor der Abreise war, ist hier nochmal einer!

Allerdings lebe ich jetzt schon seit sechs Monaten hier, und es ist unglaublich schwer, sechs Monate einfach so zusammenzufassen. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll …

Zum Glück habe ich tatkräftige Unterstützung von der Katze.
Chronologisch wäre das erste wichtige Ereignis drei Tage vor meiner Abreise.

Ich war mit meiner Familie unterwegs, als plötzlich ein Anruf von meiner Austauschorganisation kam: Ich hatte endlich eine Gastfamilie! Es sollte nach Iowa gehen. Wenn ihr euch jetzt fragt: “Was ist Iowa?” Dann fragt ihr euch genau das, was ich mich auch gefragt habe.


Iowa auf einer Karte

Google klärte mich sofort darüber auf, dass Iowa der “Corn State” ist. Iowa ist im Midwest, erfüllt auch so ziemlich alle Midwest-Klischees, und ich sollte in eine Stadt namens Montezuma, mit 1411 Einwohnern. Generell hat der ganze Staat weniger Einwohner als Berlin.

Iowa ist basically ein riesiges Maisfeld.

Das alles bereitete mir ein etwas mulmiges Gefühl, dafür sah meine Gastfamilie aber echt nett aus. (Spoiler: ich liebe sie über alles!) Ich habe einen Gastvater (er ist ein Cowboy, mir war gar nicht bewusst dass sowas wirklich existiert), eine Gastmutter, eine Gastschwester etwa in meinem Alter und einen Gastbruder. Und so einige tierische Mitbewohner: zwei Katzen, drei Hunde, sechs Hühner, fünf Pferde, zwei Esel und eine Kuh. Als Tierfreundin finde ich das natürlich super.

Das ist unser Weihnachtsfamilienfoto mit der Verwandtschaft.


Asher ist eine sehr fotogene Katze.

Bowie und Duke wollen gestreichelt werden.

Ich habe mich von Anfang an sehr wohl gefühlt. Der Vorteil an einer so kleinen Stadt ist, dass man direkt in alles eingebunden wird. Ich gehe auf die örtliche High School, habe 42 Menschen in meinem Jahrgang und kann bei allem mitmachen, dank der wenigen Menschen gibt es nämlich keine Tryouts für die Teams.


Vieles hier sieht sehr amerikanisch aus.


Der Haupteingang der High School.

Montezuma School

So wurde ich als allererstes von meiner Gastfamilie überredet, dem Cross Country Team beizutreten. (Cross Country ist Langstreckenlauf, es geht 5km weit über hügelige Landschaften, Gras, Sand und alles, worüber man eigentlich nicht laufen möchte.) Wichtige Hintergrundinformation an dieser Stelle: Ich dachte eigentlich, ich hasse Sport, vor allem Laufen. Turns out, mit einer anderen Mentalität kann es echt Spaß machen. Hier wird der Fokus vor allem auf Teamspirit gelegt und wie sportlich man ist, interessiert wirklich niemanden. Und so mochte ich Cross Country echt gerne. Ich habe die Zeit draußen an der frischen Luft mit meinen Freunden wirklich sehr genossen.


Hier haben wir nach einem Rennen Snow Cones gegessen (essbarer Schnee mit Geschmack). Snow Cones sind auf jeden Fall mein liebstes amerikanisches Essen.


Hier haben Hayley und ich unsere Teammates bei einem Rennen angefeuert und uns war etwas kalt.

Hier sind die meisten Hobbies und Sportarten Saisonsportarten. Und so war der Herbst nicht nur die Saison für Cross Country, sondern auch für Football und … Football Cheerleading!! Ja, ich habe tatsächlich das amerikanische Klischee gelebt und war Cheerleaderin. Nein, ich kann nicht turnen. Wieder hat das niemanden interessiert. Football Cheer was amazing. Wir hatten ein eher kleines Team und waren alle sehr eng befreundet. Außerdem ist die Atmosphäre bei Football Games, vor allem bei Homegames, echt unbeschreiblich.

Dieses Foto ist bei unserem Cancer Game entstanden.


Dieses Foto mit meinem guten Freund Marty ist vom Homecoming Game!


Und hier sieht man einen unserer Stunts!

Zu guter Letzt war ich im Herbst auch im Musical. Wir haben Shrek Jr aufgeführt. Ich war das Rotkäppchen, keine sehr wichtige Rolle also, aber who cares? Ich war in einem High School Musical! Und es war so cool!

Weil Marty so talentiert ist, war er übrigens auch Shrek im Musical.


Hayley und ich, als wir uns für die erste Aufführung fertig gemacht haben.

Meine Gastmutter Jamie und ich nach einem der Musicals.

Jetzt ist Wintersaison, und ich bin Cheerleaderin für Wrestling. Das macht auch echt Spaß, wieder sind wir in unserem Team sehr eng miteinander befreundet und uns gehen bei Practices nie die Gesprächsthemen aus.
Das North Gym
Außerdem mache ich Speech & Drama. Bei dem Extracurricular gibt es ganz viele Schauspiel- und Sprechkategorien, bei denen man mitmachen kann. Ich bin in Large Group Musical Theatre und dem One Act Play. Beide meine Gruppen haben beim Districts Wettbewerb so gut abgeschnitten, dass wir weiter zum State Wettbewerb sind!

Der One Act cast

Außerdem mache ich ein Individual für Acting. Jede Schule darf nur drei individuelle Wettbewerber für jede Kategorie haben, und da Acting eine der beliebtesten Kategorien ist, fühle ich mich sehr geehrt. Ich erarbeite mit meiner Coach einen acht Minuten langen Monolog, der am Ende wieder zu einem Wettbewerb geht, und es macht echt Spaß!

Unsere erste One Act Performance

 

Unser musical theatre ist ein Auszug vom Klassiker „Chitty Chitty Bang Bang“

Außerdem habe ich Choir und Pep Band als Fächer. Chor ist immer die erste Stunde jeden Morgen und unsere Lehrerin versteht, dass das nicht so die Sternstunde von Schülern ist.  Also hat sie dafür gesorgt, dass wir eine Kaffeemaschine im Chorraum haben. Ich bin mittlerweile total kaffeesüchtig geworden und weiß gar nicht, wie ich in Deutschland wieder ohne Kaffee in der Schule überleben soll. Chor an sich macht auch echt Spaß, wir haben viele echt gute Sänger, und irgendwie habe ich das Gefühl, so viel von ihnen lernen zu können, nur indem ich mit ihnen singe.


In diesen Chorroben fühlen wir uns immer wie Gespenster. Oder wie eine Sekte.


Meine Chorlehrerin bringt manchmal ihren Hund mit in die Schule! Sie heißt Aurora 🙂

Pep Band ist eine Art Schulorchester, wir spielen bei Football- und Basketballspielen und sorgen für eine echt coole Stimmung. Wir spielen hauptsächlich sehr bekannte Lieder, also auch viele 80s- und 90s hits. „Eye of the Tiger“, „Smells like Teen Spirit“ und „The Final Countdown“ sind nur ein paar meiner Favoriten. Unser Gitarrist ist auf jeden Fall echt begabt und so kann ich jeden Morgen, in der zweiten Stunde, nachdem ich gemütlich meinen Kaffee geschlürft habe, zu echt krassen Gitarrensolos aufwachen.

 

Der Bandraum ist wahrscheinlich mein Lieblingsraum.

Weil ich leidenschaftlich Querflöte spiele und mir selber Klavier beibringe, ist Pep Band wahrscheinlich von allem meine Lieblingsaktivität. Das hat in mir den Wunsch erweckt, hier zu studieren. Ich könnte jahrelang in einer College Band spielen! Mir ist sehr wohl bewusst, das mir Geld einen Strich durch die Rechnung machen könnte, aber der Wunsch ist auf jeden Fall da.


Dieses Foto mit meiner Freundin Beka ist auch vom Homecoming Football game!

Außerdem bin ich jetzt, im zweiten Semester, eine Mentorin für 6th grade Band. Das heißt, ich helfe der Bandlehrerin mit den Sechstklässlern. Die sind echt süß und witzig und ich hab sie sehr lieb. Andere Fächer, die ich belegt habe oder gerade belege, sind: Modern Literature, American Government, American Literature, Film and Literature, Geometry, Dystopian Literature, Design und British Literature. Ich habe die Chance genutzt und einfach alles ausprobiert, was ich in Deutschland sonst nicht wirklich machen könnte.

Der Raum in dem ich Modern Literature/Dystopian Literature habe.

In Band ist mir auch ganz krass aufgefallen, dass Amerikaner eine ganz andere Fehlerkultur haben. „Make your mistakes, but make them loud“ – diese Mentalität wird wirklich gelebt. Fehler werden nicht als etwas Negatives gesehen, sondern als Teil des Lernprozesses, und auf den legen Amerikaner sehr viel wert – fast noch mehr als auf das Endprodukt, habe ich das Gefühl.

Dieses wunderschöne Foto ist in Modern Literature entstanden.

Generell sind die Menschen hier echt sehr nett und sehr entspannt. Alle reden ständig mit allen und wir haben immer sehr viel Spaß. Es ist auch gar nicht komisch, im Schlafanzug und einer Kuscheldecke in der Schule anzukommen (eine Tradition, die ich definitiv mit nach Deutschland bringen werde). Typisch Midwest ist es auch, entweder Crocs und Kuschelsocken oder Cowboystiefel in die Schule zu tragen. Generell stört es auch niemanden, wenn man im Unterricht mal kurz auf dem Boden nappt. Wir sind
alle manchmal echt müde.


Hier hatten wir uns für ein Event alle abgesprochen, mit Schlafanzug in die Schule zu gehen. Meine Freundin Lexi hat es als Einzige nicht gemacht.

In meiner Freizeit unternehme ich etwas mit meiner Gastfamilie oder Freunden. So habe ich jetzt schon ein Prom-Kleid, obwohl Prom erst im April ist. (Prom ist ein School Dance, also eine Art Schulball.)

Auf diesem Foto waren es minus13 Grad. Aber ich lebe nur einmal, deswegen werde ich es mir nicht nehmen lassen, mit meinem Promkleid durch den Schnee zu laufen und mich dabei wie eine Disney Prinzessin zu fühlen.

Manchmal reite ich auch einfach die Pferde um die Weide. Oder ich gehe mit meinen Gasteltern zu Basketballspielen vom Schulteam. Irgendwie passiert immer was, es werden hier sehr viele Events von der Schule organisiert.

Und falls mal ausnahmsweise nichts passiert – was echt nicht oft vorkommt – können alle meine Freunde Auto fahren. Öffentliche Verkehrsmittel sind hier nicht verbreitet, deswegen kann man sich ab 14 selber zur Schule fahren und ab 16 dann überall hin. Das müssen wir natürlich nutzen, am Wochenende fahren wir manchmal nach Des Moines (der Hauptstadt von Iowa) oder Iowa City. Beide Städte sind nur etwa eine Stunde von uns entfernt, für Midwest Verhältnisse ist das wirklich nicht weit.

Dieses Foto illustriert die Autokultur im Midwest.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier in Iowa liegt übrigens echt viel Schnee, es ist wunderschön. Am liebsten hätte ich, dass er für immer bleibt, aber das ist wohl Wunschdenken. Iowa ist, wie man sich schon denken konnte, echt leer. Dafür gibt es ganz viel „wide open space“, den ich von Berlin gar nicht gewohnt bin. Ich kann auf Autofahrten gar nicht genug davon bekommen, aus dem Fenster zu starren. Und die Sonnenuntergänge sind wirklich wunderschön. Außerdem sind die Nachthimmel tiefschwarz und weil keine Straßenlaternen mehr im Weg sind, kann Linnea endlich die Sterne sehen!

 

Unsere Pferde im Sonnenuntergang

Als Mensch habe ich mich wahrscheinlich auch sehr verändert. Mir persönlich fällt es gar nicht so auf, aber ich bin definitiv offener geworden und auch viel selbstsicherer. Hier gibt es eine sehr starke „You do you“ Mentalität so fällt es mir überhaupt nicht schwer, einfach ich selbst zu sein.

Natürlich ist auch nicht immer alles perfekt – ich vermisse meine Freunde aus Deutschland, meine Familie und allen voran meine Katze sehr. Aber ich werde wahrscheinlich einfach lernen müssen, damit zu leben. Wieder in Deutschland werde ich nämlich mein amerikanisches Zuhause sehr vermissen. Wer weiß, vielleicht dauert es ja gar nicht so lange, bis ich wieder hier bin!

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