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Die Internet-Welt
Schwerpunkt Jugendkommunikation

Sabrina Klein  (4. Semester )

Abstract:

Jugendliche nutzen das Internet, um ihr individuelles Leben effektiver zu gestalten. Tatsächlich jedoch nehmen sie in dieser Parallelwelt leibhaftigen Dialogen deren Sinnlichkeit. Zugleich begeben sie sich in die Abhängigkeit von sozialen Netzwerken, die ihr Privatleben öffentlich machen. Dieses Schwinden kommunikativer Sensibilität ist nur zu verhindern, wenn wir im Netz „nie mehr Informationen über uns veröffentlichen, als wir in der wirklichen Welt auch einem Fremden zur Verfügung stellen würden“.

Es ist eine Art allumfassende Macht, eine überdimensionale Plattform, die zahlreiche Jugendliche unserer Zeit einnimmt und jene unterschwellige Abhängigkeit erzeugt, die jeder  insgeheim fühlt und niemand zugeben möchte. Es bietet uns neue Möglichkeiten des Recherchierens, der Kommunikation, der Unterhaltung, des Informierens. Und während wir all dies nutzen und dabei glauben, lediglich eine sinnvolle Erleichterung unseres alltäglichen Lebens wahrzunehmen, werfen wir uns dabei gleichzeitig in die offenen Arme eines verführerischen Mediums, das uns unserer emotionalen Kompetenzen entledigt, unser Arbeitsleben gefährdet und unser Sozialleben deutlich zu schwächen weiß: Das Internet.

Auf den ersten Blick erscheint es wie ein Wunder, diese einzigartige Möglichkeit, Informationen mit der ganzen Welt zu teilen, diese vollkommen neue Dimension der Kontaktpflege. Freunde, die sich kilometerweit entfernt befinden, erreichen zu können. Die Vorlieben unserer Mitmenschen schon mit einem kurzen Blick auf ihre Benutzerprofile in verschiedensten sozialen Netzwerken zu erkunden. Verabredungen beim „Chatten“ treffen zu können. – Neben unserer wirklichen Welt, der Welt unseres sinnlichen Fühlens, in der wir unsere sozialen Kontakte ansehen, hören und berühren können, gibt es jetzt also eine zweite, virtuelle Welt, die uns einen rascheren Informationsaustausch ermöglicht als erstere uns jemals bieten könnte. Fraglich bleibt lediglich, ob diese Parallelwelt tatsächlich längerfristig eine Hilfe für uns darstellt oder ob es einen Punkt gibt, an dem sie uns plötzlich zu schädigen weiß …

Die Vorzüge der virtuellen Parallelwelt für unser Sozialleben sind leicht fassbar: Kontaktaufnahme und –haltung werden erleichtert und gefördert, der Grad der Sympathie für die Interessen einer anderen Person kann über das Benutzerprofil innerhalb von Sekunden ermittelt werden und wir erhalten die Möglichkeit, schnell und einfach „gleichgesinnte“ Menschen zu finden, die uns in grundlegenden Zügen ähneln und unsere Ansichten teilen.
Insbesondere den introvertierten Personen unter uns, denen die Kontaktaufnahme im realen Leben Probleme bereitet, bietet das Internet einen einfacheren Weg des Kennenlernens. „Geschützt“ hinter dem Computerbildschirm können sie sich jeden Satz, den sie mit anderen Menschen teilen, zunächst genau überlegen und geraten weniger in Verlegenheit, wenn ihnen einmal nicht sofort die passenden Worte einfallen wollen. Da das Internet zudem Anonymität bietet, sind auch die Sorgen betroffener Personen vor Zurückweisung vermindert – Wenn nötig kann der Kontakt augenblicklich abgebrochen werden, ohne dass der Mensch, von welchem sie virtuell Ablehnung erfahren haben, in ihrem realen Leben wieder auftaucht.

Doch nicht nur für schüchterne Personen bietet das Internet eine einfache Alternative zum realen Kennenlernen neuer Kontakte. Beinahe jeder Jugendliche nutzt heutzutage die Möglichkeit, Aktivitäten anderer Nutzer in sozialen Netzwerken beiläufig zu beobachten und sich auf diese Weise ein Meinungsbild über Menschen zu bilden, die er im realen Leben nur oberflächlich oder überhaupt nicht kennt. Auf diese Weise fällt die Selektion derer, die potentiell in unseren Freundeskreis aufgenommen werden könnten, leichter; Wer uns schon über das Internet unsympathisch erscheint, dem schenken wir auch im realen Leben automatisch weniger Aufmerksamkeit.

Vereinfacht wird durch das Internet auch die Planung unserer realen Aktivitäten. Über soziale Netzwerke versandte Einladungen zu Feiern und Festen erreichen die gewünschten Personen schneller, Zu- und Absagen können unkompliziert und zeitsparend sortiert werden. Wenn wir uns mit einem Freund verabreden möchten, müssen wir nicht extra zum Telefonhörer greifen, sondern schicken ihm ganz einfach virtuell eine kurze Nachricht. Da viele Jugendliche mittlerweile auch mobilen Internetzugang haben, erreicht sie die Botschaft auch dann, wenn sie sich nicht einmal zuhause vor dem Computer befinden.

Weiterhin bietet das Internet die Möglichkeit, mit anderen Menschen auf der ganzen Welt zu kommunizieren. Abgesehen von der privaten Kontaktpflege, die dadurch enorm verbessert werden kann, erfahren wir durch den globalen Informationsaustausch auch sofort, wer oder was uns gerade am anderen Ende des Erdballs interessieren könnte. Zum Beispiel kann ein mögliches Reiseziel einfacher und schneller gefunden werden, ohne mit der Sorge leben zu müssen, sich letztendlich in einem kriminellen Viertel wiederzufinden.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist das Internet der Menschheit eine wertvolle Stütze, um das Leben des Individuums effektiver zu gestalten. Es scheint, als wäre die Anteilnahme an dieser Parallelwelt zwar keine Notwendigkeit, jedoch in jedem Fall eine Bereicherung unseres Daseins.

Leider sehen die Ausmaße des Internets in der Realität anders aus. Heutzutage hat sich die  regelmäßige Teilnahme an der virtuellen Welt schon beinahe zu einer Pflicht entwickelt, um den Anforderungen des persönlichen sozialen Umfelds gerecht werden zu können; Wer nicht in sozialen Netzwerken aktiv ist, versäumt Neuigkeiten über Veränderungen in seinem Freundeskreis, die in der realen Welt im Anschluss eventuell als Voraussetzung für das Folgehandeln aller Beteiligten angesehen werden. Dies gilt selbst für intime Beziehungen, beispielsweise wenn die Trennung zweier Personen zunächst über das Internet veröffentlicht wird und das Ansprechen des Themas in der Realität deshalb aus Sensibilität gemieden wird. Wer die Ankündigung versäumt hat, kann sich nicht angemessen verhalten und könnte deshalb als weniger empathisch empfunden werden. Und da in der heutigen Zeit etliche Veränderungen der Aktualität halber zunächst in sozialen Netzwerken bekannt gegeben werden bevor auch in der realen Welt darüber diskutiert wird, verliert eine nicht involvierte Person schnell den Überblick über das Privatleben seiner Bekannten.

Ein weiterer Faktor zur Verstärkung dieser Entwicklung ist, dass die sozialen Netzwerke im letzten Jahrzehnt einen entscheidenden Aufschwung erfahren haben und sich deshalb das Kommunikationsverhalten Jugendlicher grundlegend verschoben hat. Aufgrund der zahlreichen Vorzüge des Internets bezüglich seiner Bequemlichkeit wird weniger geredet und mehr virtuell kommuniziert – Das Internet wird also nicht nur als Zusatz, sondern viel eher auch als Ersatz für zwischenmenschliche Dialoge genutzt.

Und es ist nicht nur die alltägliche Informationsbeschaffung zur notwendigen Pflege ihres Soziallebens, die die Jugendlichen ins Internet zwingt. Da mittlerweile die meisten Veranstaltungen für Heranwachsende insbesondere über das Internet organisiert und bekanntgegeben werden, dienen die sozialen Netzwerke auch in wichtigeren Angelegenheiten als Erinnerung und Orientierungsmöglichkeit, teilweise sogar als Notwendigkeit zur Erhaltung von Informationen.

Die aus dieser Abhängigkeit resultierende Gefahr liegt auf der Hand: Die persönliche, extreme Bindung an ein Medium, das durch einen bloßen Stromausfall außer Kraft gesetzt werden kann, sowie die Ausgrenzung derer, die sich der Parallelwelt nicht anschließen wollen. Was zunächst als Unterstützung begann, verwandelte sich in eine Art Zwang, dem die Jugendlichen heutzutage nur noch schwer entkommen können. Teilweise entwickeln sich sogar suchtartige Tendenzen, wenn es darum geht, seine aktuellen Aktivitäten online mit virtuellen Freunden zu teilen oder stundenlang die Benutzerprofile anderer Personen zu durchstöbern, sei es aus reiner Langeweile oder aus Neugier.

Optimistisch betrachtet kann die beschriebene Entwicklung als vollkommen harmlos oder gar als nützlich angesehen werden. Die Kommunikation innerhalb von Freundeskreisen wird dadurch optimiert, dass ständig Informationen über die anderen Personen abgerufen werden können – Ganz abgesehen davon, ob sie diese aus Gruppenzwang oder aus freiem Willen preisgeben. Zumindest hilft das virtuelle Netz dabei, immer auf dem aktuellen Stand sein zu können, und spielt es da so eine große Rolle, mit welchen Mitteln die Aktualität bewirkt wird? Kann man von wahren Freunden nicht sowieso erwarten, dass sie früher oder später von persönlichen einschneidenden Erlebnissen berichten würden?

Doch an dieser Stelle eröffnet sich ein neues Problem. Richtig, wahren Freunden würden wir unser gegenwärtiges Seelenleben, unsere Neigungen, Wünsche und Träume sicher sowieso offenbaren. Allerdings erfolgt die Vernetzung über das Internet schon lange nicht mehr nur mit jenen Freunden, deren Gefühlsleben wir sowieso schon kennen. Stattdessen gilt es heutzutage als Ideal, möglichst viele Personen virtuell seine „Freunde“ nennen zu können, um beliebt und angesehen zu erscheinen, was bedeutet, dass neuerdings häufig auch flüchtige Bekannte als „Freunde“ hinzugefügt werden und damit gegenseitig ihre Aktivitäten im sozialen Netzwerk mitverfolgen können. Plötzlich sind es also nicht mehr nur noch unsere engen Vertrauten, die über uns und unser Privatleben Bescheid wissen, sondern auch Personen, die wir vielleicht nicht einmal besonders sympathisch finden, aus Höflichkeit oder der Gier nach einem weiteren Kontakt aber nicht als virtuellen Freund ablehnen möchten.

Unsere privaten Informationen werden also „gezwungenermaßen“ mit mehr Menschen geteilt, als es früher üblich gewesen wäre. Beinahe fremde Personen besitzen auf diese Weise die Möglichkeit, unser Privatleben zu erforschen und – je nachdem, wie intensiv wir die jeweilige Plattform nutzen – unsere Lebensgewohnheiten mitzuverfolgen. Sollten wir unsere Informationen nicht angemessen schützen, sind sie sogar vollkommen öffentlich im Internet sichtbar. Dadurch ergeben sich neben der erhöhten Gefahr des Stalkings durch Fremde auch Unsicherheiten in unserem Arbeitsleben: Arbeitgeber nutzen verstärkt Suchmaschinen in sozialen Netzwerken, um ihre Arbeitnehmer und Bewerber zu überprüfen und zu selektieren. Unerwünschte Kommentare und Ansichtsweisen oder unseriöse Fotos im Benutzerprofil können betroffene Personen letztendlich ihre Arbeitsstelle kosten.

Diese und ähnliche Gefahren führt sich ein regelmäßiger Internetnutzer des jugendlichen Alters nur ungern vor Augen. Immerhin ist er im Regelfall mit dem Internet als verlässlicher Begleiter aufgewachsen und Probleme wie die Arbeitssuche scheinen noch weit entfernt zu liegen. Doch im Endeffekt ist es nicht relevant, in welchem Alter unseriöse Verhaltensweisen im Internet gezeigt werden, da eine veröffentlichte Information nur schwer wieder zu entfernen ist; Selbst, wenn wir der Meinung sind, Meldungen und Fotos verändert oder gelöscht zu haben, lassen sie sich unter Umständen weiterhin mithilfe von Suchmaschinen finden. Unsere „Jugendsünden“ wären somit auch noch Jahre später für unseren Arbeitgeber sichtbar – Und dieser wird sich vermutlich nicht die Mühe machen zu recherchieren, ob die gefundene Information aktuell oder veraltet ist.

Neben der auftretenden Problematik bezüglich unserer Zukunftsperspektiven gibt es in meinen Augen eine weitere, soziale Gefahr, die sich durch die bereits erwähnte Verwendung des Internets als Ersatz für reale Kommunikation darstellt. Wenn wir „chatten“, können wir unseren Gesprächspartner nicht sinnlich wahrnehmen, also weder sehen noch hören oder berühren. Unsere einzigen Anhaltspunkte zur Reaktion im Zuge einer Unterhaltung sind die Textbotschaften, die die andere Person uns zukommen lässt. Für eine schnelle, unkomplizierte Verabredung mögen diese „gefühlskalten“ Nachrichten vollkommen ausreichend sein. Die Situation verändert sich aber, wenn es zu einer längeren Diskussion oder gar zu einer Auseinandersetzung kommen sollte. Wie ist es möglich, angemessen auf jemanden zu reagieren, wenn wir lediglich einen Bruchteil dessen wahrnehmen können, was wir in einer realen Unterhaltung wahrnehmen würden? Immerhin stellt die nonverbale Kommunikation den größten Teil der emotionalen Gesamtkommunikation dar; Fehlt diese, fehlt damit gleichzeitig auch ein entscheidender Teil zur Abstimmung des eigenen Handelns auf den Dialogpartner. Wir können also in einer Diskussion nur auf die geschriebene Botschaft reagieren, der wir nicht einmal einen Tonfall oder eine Stimmlage zuordnen können. Missverständnisse sind dadurch regelrecht vorprogrammiert, Empathie ist nahezu unmöglich. Hinzu kommt die körperliche Distanz bei einem virtuellen Gespräch, die leicht zu Unachtsamkeit oder sogar zu Rücksichtslosigkeit verleitet, da wir wissen, dass wir uns mit der unmittelbaren emotionalen Reaktion unseres Gegenübers im Anschluss nicht auseinandersetzen werden müssen – Wir werden „mutiger“ und ungehaltener und verlieren in Bezug auf Vorwürfe und Anschuldigungen schneller unsere Selbstbeherrschung. Den einzigen Hinweis auf den wirklichen Gemütszustand der anderen Person bieten uns „Smileys“, die in einigen Chat-Programmen bereits so komplex gestaltet sind, dass sie tatsächlich einen gewissen Grad des Mitgefühls hervorrufen können. Doch abgesehen davon, dass die starren Gesichter die Emotionen eines echten, menschlichen Gesichts nie ersetzen könnten, stellen sie die Gefühle unseres Gegenübers zudem lediglich so dar, wie er es sich gerade wünscht – Ob dabei die Wahrheit vermittelt wird, ist nicht erkennbar.

Die beschriebenen Mängel der virtuellen Kommunikation können zu schweren Defiziten zwischenmenschlicher Beziehungen führen und diese stark schädigen. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob eine Beziehung bereits länger besteht oder sich erst im Stadium des Kennenlernens befindet – In jedem Fall wirkt die intensive virtuelle Unterhaltung vergiftend. Beim Kennenlernen über das Internet bilden sich zwangsläufig falsche Erwartungen an den Charakter des Gesprächspartners, da – wie bereits beschrieben – die nonverbale sowie die unmittelbare Reaktion vollkommen fehlen. In bereits real bestehenden Beziehungen können wir uns davon zwar nicht täuschen lassen, da wir den wirklichen Charakter der Person bereits kennen, dennoch führt der Dialog über das Internet stets zu mangelnder Sensibilität und einer gewissen Respektlosigkeit.

Weiterhin entledigt uns die verstärkte Nutzung Gespräche dieser Art auch im realen Leben unserer sozialen Kompetenzen: Weil wir uns an die emotionale und körperliche Distanz im Gespräch gewöhnen, fällt es uns zwangsläufig irgendwann schwerer, uns im realen Leben wieder anzunähern – Wir werden zurückhaltender und weniger empathisch, das reale Zusammentreffen mit den virtuellen Gesprächsteilnehmern wird aufgrund der ungewohnten Nähe schneller verkrampft, eventuell sogar als unangenehm empfunden. Dieser Effekt tritt erfahrungsgemäß insbesondere dann auf, wenn zuvor virtuell Streitpunkte ausdiskutiert worden sind; Die schriftliche Klärung eines Problems zieht nicht zwangsläufig auch eine emotionale Neutralisierung der Betroffenen mit sich, da gefühlsmäßige Auseinandersetzungen schließlich nicht hinreichend in die Diskussion miteinbezogen werden können. In Extremfällen führt eine solche Entwicklung sogar dazu, dass Personen sich in der realen Welt meiden und nur noch virtuelle Kommunikation stattfindet, was die zwischenmenschliche Beziehung letztendlich lediglich stärker entzweien kann.

Wie sehen also mögliche Lösungsansätze aus, um das Internet effektiv zu nutzen anstatt unser Sozialleben davon beherrschen zu lassen? Meiner Meinung nach liegt die Hauptverantwortung in unserer persönlichen Wahrnehmung des Internets als Ergänzung anstatt als Alternative. Zum schnellen Informationsaustausch ist es praktisch und ein allgemeiner Überblick über unseren Bekanntenkreis in sozialen Netzwerken hat für die Planung des realen Lebens viele Vorzüge. Diesen Bezug zur Realität sollten wir aber immer im Auge behalten und deshalb nie mehr Informationen über uns veröffentlichen als wir in der wirklichen Welt auch einem Fremden zur Verfügung stellen würden. Um unsere sozialen Beziehungen gesund zu erhalten ist es zudem förderlich, die direkte virtuelle Kommunikation weitgehend zu vermeiden und lieber auf einen späteren, realen Zeitpunkt zu verschieben. Ein ausgiebiges Wortgefecht kann doch sehr erfrischend sein. Da sollte es sich auch mal ein wenig auf das nächste Zusammentreffen warten lassen.

 

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