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Ron Segal Lesungsbericht

 

Das Hans-Carossa-Gymnasium präsentierte am 10. Oktober 2024 Uhr eine exklusive Lesung mit dem renommierten Autor Ron Segal.

 

Herr Kozian, Fachbereichsleiter Gesellschaftswissenschaften, freut sich sehr, dass das Hans-Carossa-Gymnasium im Rahmen der im Foyer aufgebauten Ausstellung „ToleranzRäume“ den israelischen Filmemacher und Schriftsteller Ron Segal gewinnen konnte, aus seinem preisgekrönten Debütroman „Jeder Tag wie heute“ zu lesen und anschließend eine Diskussion zum Thema Erinnerungskultur und Antisemitismus zu führen.

Bereits in der Vergangenheit habe es bewegende Lesungen an der Schule gegeben, wie z.B. mit Margot Friedländer (Überlebende des Holocaust und Ehrenbürgerin Berlins), die Jahr für Jahr den Schüler: innen des 10. Jahrgangs aus ihrem autobiographischen Buch vorgelesen habe. „Seid wachsam und seid Menschen!“, laute ihre eindringliche Botschaft an die nachfolgenden Generationen. Die Erinnerungskultur müsse gelebt werden und nichts solle in Vergessenheit geraten!

 

Mit einem freundlichen „Shalom“ begrüßte Herr Segal das erwartungsvolle Publikum. Auch ihm sei es wie Frau Friedländer ein großes Anliegen, an die Vergangenheit zu erinnern, da es Teil seiner eigenen Identität, seiner eigenen Familiengeschichte sei.

Bild-Montage: Heun

Familiäre Wurzeln in Berlin-Schöneberg

Ron Segal wurde 1980 in Israel geboren und studierte an der Sam Spiegel Film und Television School in Jerusalem. Seine familiären Wurzeln liegen allerdings in Berlin-Schöneberg.

Sein Urgroßvater hatte dort einen Antiquitätenladen. Leider verstarb dieser kurz vor der Pogromnacht an einem Herzinfarkt, so dass seine Urgroßmutter mit dem ältesten Sohn den Laden weiter bis zur Pogromnacht weiterführte.

Dann wurde das jüdische Familiengeschäft „arisiert“, wodurch die Existenzgrundlage der Familie zerstört wurde. Dadurch wurde Segals Großmutter im Alter von 16 Jahren mit dem Kindertransport aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien und später weiter nach Palästina verschifft. Als Zeichen der Anteilnahme erinnern inzwischen zwei Stolpersteine an der Goltzstraße in Schöneberg an die Großeltern seiner Mutter.

 

Entstehung des Romans

Herr Segal berichtete, dass er im Jahr 2009 mit einem DAAD-Stipendium nach Berlin kam, um an der Freien Universität Berlin die filmischen Dokumentationen von Holocaust-Überlebenden im Rahmen der Shoah Foundation von Steven Spielberg zu recherchieren. Aus dem Material sollte anfangs ein Film realisiert werden.

Doch beim Schreiben habe er bemerkt, dass er eher einen Roman als ein Drehbuch schrieb, so dass schlussendlich sein Roman „Jeder Tag wie heute“ 2014 in Deutschland erschien. In seinem Roman existieren zwar rein fiktive Charaktere, allerdings hätten die beiden Hauptfiguren gewisse Ähnlichkeiten mit seinen Eltern. Auch sein Vater habe im Gegensatz zu seiner Mutter nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wollen.

 

Die Story

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Adam Schumacher, der Held dieses Debütromans von Ron Segal, ist ein neunzigjähriger israelischer Schriftsteller und Holocaust-Überlebender. Einst vor den Nazis geflüchtet, reist er nun, viele Jahre später, zum ersten Mal zurück nach Deutschland, um für ein Literaturmagazin seine Erinnerungen aufzuschreiben.

Ausgerechnet dort, wohin er nie zurückkehren wollte, merkt er, dass ihn sein Gedächtnis immer öfter im Stich lässt. Ihm wird klar, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, das Versprechen an seine verstorbene Frau einzulösen: Bevor er sie vergessen haben würde, ihrer beider Lebensgeschichten aufzuschreiben.

Segal erzählt die Fieberträume des Überlebenden, in denen die Fakten und Fiktionen einander schon überlagern, er ruft die Geschichten der Grimms auf, die Mythen, Legenden und versucht ein Amalgam zu finden, das ein literarisches Sprechen über den Holocaust für jemanden „zwei Generationen danach“ möglich macht. (Klappentext)

 

Klangvolle Lesung in hebräischer Sprache

Zur Überraschung der Anwesenden begann Herr Segal seine Lesung in hebräischer Sprache. Gefühlvoll und melodisch klangen die fremden Worte durch die Aula, zwischendurch fielen harte Worte wie KZ, Ausschwitz und Dachau. Danach wechselte Herr Segal ins Deutsche und las mehrere zeitliche Auszüge aus seinem Roman vor. Gebannt folgten die Zuhörer seinen Worten und hörten von Adam und Bella, den Romanfiguren.

 

Antisemitisches Erlebnis in der Kant-Straße

Auf die Frage, ob er bereits selber anti-semitische Erlebnisse gehabt habe, berichtete er von einem Ereignis, dass er in der Kantstraße hatte. Dort begegnete er einem jungen, durch seine Kleidung erkennbar orthodoxen Juden, dem plötzlich andere junge Männer das Wort „Jude“, offenbar als Herabwürdigung gemeint, entgegenzischten. Dies habe nicht ihn direkt betroffen, allerdings frage er sich noch heute, warum er damals nichts unternommen habe. Warum er diese Menschen nicht zumindest angesprochen habe. Der offenkundig Geschmähte habe selbst auch nicht reagiert. „Vielleicht war er es gewöhnt“, meinte Segal.

Animationsfilm in Arbeit

Nach der ersten Fragerunde berichtete Herr Segal, dass er nun an der Verfilmung seines Romans in Form einer Animation arbeiten würde. Er zeigte in einer kleinen Präsentation erste Skizzen-Entwürfe, die sich weiter entwickelten und mittlerweile soweit gediehen wären, dass nun bewegte Szenen entstanden sind.

 

Dank

Nach knapp zwei Stunden wurde der beeindruckende Abend von Herrn Kozian mit Dankesworten an Herrn Segal für einen unvergesslichen Abend, an die Licht/Tontechnik (J. Svoboda) und dem HCG-Förderverein für die Finanzierung des Abends beendet.

 

Eindrücke des Abends aus dem Publikum

„Besonders wertvoll fand ich, dass Ron Segal das Publikum mit „Shalom“ begrüßte und die Lesung zunächst auf Hebräisch begann. Die Begegnung mit der hebräischen Sprache erzeugte bei mir automatisch emotionale Nähe. Ich hätte gerne noch länger nur dem Klang des Hebräischen lauschen können. Ich hätte sehr gerne weiter zu gehört und war ganz enttäuscht, wie schnell die Lesung zu Ende war. Das anschließende Gespräch mit dem Autor fand ich auch super.“

„Die Äußerung von Herrn Segal, dass ihn seit dem 7. Oktober 2023 die Frage bewegt, wo er zukünftig mit seiner Frau und seinen drei Kindern leben könne, ging mir sehr ans Herz. Er meinte, Israel wäre zwar seine Heimat und Berlin sein zweites Zuhause, aber eine Rückkehr nach Israel erscheint aktuell keine gute Idee und der Anstieg von antisemitischen Gewalttaten in Deutschland lässt ihn an seinen jetzigen Wohnort Berlin zweifeln.“

„Der eingespielte Teaser zum geplanten Film war extrem mitreißend und tiefgründig. Zu erfahren, dass die Hauptrolle Adam vom deutschen Schauspieler und Synchronsprecher Mario Adorf persönlich gesprochen wurde, war sehr eindrucksvoll! Hoffentlich kommen die Gelder für den Film doch schnellstmöglich zusammen, sodass Herr Adorf auch den Film mit vertonen kann.“

„Ron Segal ist aus meiner Sicht absolut geeignet, um ihn noch einmal in die Schule einzuladen. Allerdings dann unbedingt vormittags während der Schulzeit, damit dann noch mehr Schüler:innen von ihm ihren Nutzen ziehen können.“

 

 

In Verbindung mit der Lesung präsentiert das HCG auch eine Ausstellung im Foyer mit dem Titel:

 


 

 

Lust auf den Roman?

Das erste und das letzte Kapitel des Romans finden Sie hier>.

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Text: X. Klein
Fotos: X. Klein; Heun (1); Wallstein_Verlag (1)
Bearbeitung: Heun