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Namensgeber Carossa

Hans Carossa als Namensgeber?

Bürgerinitiative wendet sich gegen die Benennung des geplanten Carossa-Quartiers

Name des Hans-Carossa-Gymnasiums und der Carossastraße ebenfalls in der Kritik

Vorgesehen sind 1800 Wohnungen auf dem Gelände des des ehemalige Luftfahrt­geräte­werks in Spandau-Hakenfelde. Dort gab es während es Zweiten Welt­krieges ein Zwangsarbeiterlager.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude vielseitig genutzt: als DRK-Hospital, Unterkunft für Geflüchtete und auch als Kulissenlager für die Deutsche Oper.

Außerdem war dort auch seit 1951 die Dritte Oberschule untergebracht, aus deren wissenschaftlichem Zweig 1957 die Hans-Carossa-Oberschule (Gymnasium) hervorging. Bis zum Jahre 2000 – bis zum Umzug nach Kladow – war die Streitstraße 18 ihr Domizil.

„In ehrfürchtigem Gedenken …“ – Urkunde der Namensverleihung im Jahre 1957  (Ausschnitt)
Hans Carossa war in den 20er, 30er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts einer der “ meistgelesenen deutschen Schriftsteller“ (Wikipedia).

43 Jahre Carossa-Schule als markanter Ort im Kiez Hakenfelde hat wohl zu der Namensgebung Carossa-Quartier geführt. Gegen diese Benennung hat sich nun die Bürgerinitiative „Hakenfelder Bürger*innen gegen das Vergessen“  gewandt.

 

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Die Journalistin Pauline Faust greift dies in einem längeren Tagespiegelartikel+ vom 22.1.2022 auf; sie sieht in Hans Carossa einen Opportunisten der Nazi-Regimes, ungeeignet für eine Namens-Patronage.

„Hans Carossa (1878-1956) war ein deutscher Autor, Arzt und Nazi-Profiteur. Dass ein neues Wohnviertel auf dem Gelände eines früheren Zwangsarbeiterlagers ausgerechnet nach ihm benannt werden soll,“ erscheint ihr zynisch, zumal Carossa für Hakenfelde und Spandau keine Bedeutung habe.

„Benennen sollte man nach diesem Mann nichts, er hat es nicht verdient.“

Mit diesen Worten bezieht Klaus Kleemann von der Bürgerinitiative neben dem Carossa-Quartier auch die Namensgebung des Carossa-Gymnasiums und der Carossastraße in seine Kritik mit ein.

 

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André Görke schreibt in einem Artikel im Tagesspiegel+ vom 27.1.2022:

Schule, Straße, Neubauquartier: Alles trägt Carossas Namen. Dabei ist seine Vita umstritten.

Görke zitiert ausführlich den Brief eines Kladower Vaters; Thomas Rietig, der von der Schulzeit seiner Söhne berichtet, in der „Schüler im Unterricht die Namensgebung und die Rolle Carossas in der NS-Zeit und danach thematisierten“. Es habe sogar einen Aufsatzwettbewerb dazu gegeben.

Thomas Rietig zeigt sich nachdenklich gegenüber der Umbenennungsdebatte

Aus heutiger Sicht ist Hans Carossa literarisch bedeutungslos. Auch in der Debatte über äußere und innere Emigration während der NS-Zeit spielte er eine bestenfalls fragwürdige Rolle. Andererseits stellt sich, nachdem das Kind mit der Namensgebung einmal in den Brunnen gefallen ist, die Frage, ob man nun mit großem moralischen Bohei eine Rückbenennungs-Debatte führen soll, und wie verhältnismäßig das ist.“

„Nazi-Profiteur“ ist zwar nichts Lobenswertes, aber wenn wir die Umbenennungslatte so tief legen wollen, sollten wir vorher über Namen wie „Siemensstadt, -bahn, -straße“ usw. nachdenken .“

 

Politiker beziehen Stellung

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Auch die Berliner Morgenpost+ nimmt sich des Themas an. In einem Artikel vom 19.1.2022 zitiert der Autor Dennis Maischen zwei Spandauer Bezirkspolitiker.

Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU) sieht zunächst keinen Handlungsbedarf, die Argumente der Bürgerinitiative seien ihm nicht bekannt; Schatz resümiert rückblickend:

„Nach meiner Kenntnis setzen sich seit Jahrzehnten immer und immer wieder auch Schulklassen kritisch mit Hans Carossa auseinander; immer kam man nach Recherchen und Diskussionen in diesen Fällen zum Ergebnis, den Namen beizubehalten.“

Der Fraktionsvorsitzender der Spandauer Linken Lars Leschewitz bezeichnet Carossas Verhalten in der NS-Zeit als „mindestens ambivalent“. Wenn die Vorwürfe der Bürgerinitiative stimmten, dann müsse über einen anderen Namen für das Quartier nachgedacht werden.

Dennis Maischen bringt seine Recherchen zu Carossa in der Morgenpost auf die Formel:

Sein Verhalten während der NS-Zeit: zumindest schwierig, seine Einordnung: kompliziert.

Manfred Heun
28.1.2022