GE-Klasse im Tagesspiegel
Unter dieser vitalen Überschrift hat der Tagespiegel* (Foto oben) in einem anschaulichen und faktenreichen Artikel> über das Inklusionsprojekt am Hans-Carossa-Gymnasium berichtet. Frank Bachner, Lokalredakteur des Tagesspiegels, hatte am Unterricht der 8F teilgenommen, einer Klasse mit drei Kindern mit Förderstatus Geistige Entwicklung (GE).

Die Hans-Carossa-Schule „ist das einzige Gymnasium in Berlin, das Kinder mit Beeinträchtigungen in der geistigen Entwicklung in den Unterricht integriert hat“*. 83 % des Kollegiums haben diesem Pilotprojekt zugestimmt, das im Schuljahr 2022/23 im Rahmen eines Schulversuchs fortgeführt werden wird.
Um einen solchen inklusiven Unterricht zu ermöglichen, arbeiten Jacqueline Mleczak und Anna Mennekes als Sonderpädagoginnen in dem Projekt; zusätzliche Mittel für spezielle Unterrichtsmaterialien wurden von der Senatsverwaltung und dem Bezirksamt bereitgestellt.
Zu der besonderen Ausstattung gehören die beiden Sonderpädagoginnen, zwei pädagogische Unterrichtshilfen und eine Betreuerin. Ein Mitglied des sonderpädagogischen Teams sitzt immer im Unterricht.
Erste Einschätzung des Schulleiters Henning Rußbült:
„Für mich ist das eine unheimlich positive Erfahrung und ein Mehrwert für die Schule.“
Rußbült sieht diesen vor allem in der Entwicklung der menschlichen Empathie und der Sozialkompetenz der Schüler:innen und nennt ein Beispiel aus dem Berufsleben:
„Einige der Kinder, die hier zur Schule gehen, werden später Führungspositionen besetzen. Sie sollen schon jetzt erfahren, dass auch Menschen mit geistiger Einschränkung Begabungen haben.“ Die Lernatmosphäre werde von allen Beteiligten als positiv und bereichernd empfunden und der Umgang miteinander wird als selbstverständlich erlebt.
Für den Unterricht der Kinder mit GE-Status gibt es einen eigenen Rahmenplan und einen zusätzlichen Raum, in dem sie in einer Kleingruppe in den Fächern unterrichtet werden, die nicht auf dem Lehrplan der Gymnasiasten stehen. Dazu gehören lebenspraktische Fächer wie Kochen, Werken, Gartenarbeit, Wegetraining u.v.m.
Barbara Lakmes, die Inklusionsbeauftragte der Schule, hat den Aufbau des Projekts in enger Absprache und mit Unterstützung der „Fachgruppe Inklusion“ der Senatsschulverwaltung organisiert. Sie ist zusammen mit Malu Baumann Klassenlehrerin der 8F und unterrichtet Französisch in dieser Klasse. Aus ihrer bisherigen Erfahrung beurteilt sie das Pilotmodell positiv: „Je mehr sich das Projekt entwickelt, umso überzeugter bin ich davon.“
Anna Mennekes, die Klassenlehrerin der zweiten Klasse mit drei Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“, liest mit ihrer Klasse, der 7F, eine Lektüre, die sie für die drei Kinder sprachlich adaptiert hat. Zusätzlich werden aber auch Auszüge aus dem Originaltext vorgelesen, um allen Schüler:innen ein literaturästhetisches Empfinden zu ermöglichen.
Journalist Bachner – mit realistischem Blick:
Natürlich seien die Grenzen der Integration klar gezogen. Die Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung erhalten zwar halbjährlich Verbalbeurteilungen, aber nach 12 Schuljahren kein Abschlusszeugnis.
Ziel sei eine Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Diesem Ziel dient auch die Vermittlung von Praktika und Kontakten zu Arbeitgebern durch das HCG-Team für Berufs- und Studienorientierung. Die erfolgreiche Integration in den ersten Arbeitsmarkt sei aber – so die Sozialpädagogin Mennekes – eher die Ausnahme. Und Bachner – wie im Anschluss: „Doch das Gymnasium verlassen Kinder mit gesteigertem Selbstbewusstsein.“*
Ängste bei Eltern und Lehrkräften?
Rußbült kann da beruhigen. Entgegen den Befürchtungen zeigten die Klassen mit GE-Kindern keine schlechteren Leistungen als andere Klassen. Im Gegenteil, sie hätten im Vergleich sogar einen besseren Notendurchschnitt.
Ein Blick aufs Ganze. Bachner mit einem pointierten Schluss:
„Mehr als zwölf Kinder werden es nie – und ohne ein sonderpädagogisches Team geht es nicht.
Mit einer Klasse und drei Schüler:innen hatte es im Sommer 2020 begonnen. Laut der Vorgaben des im kommenden Schuljahr startenden Schulversuchs sollen von Klasse sieben bis zehn jeweils in einer Klasse drei GE-Kinder sitzen. Mehr als zwölf werden es nie. Zwölf von 1200 Schülern am Carossa-Gymnasium.“
Mehr zum Schulversuch hier>
Weitere Information zur Inklusion am HCG hier>
_____
*) 14.12.2021 in der Print-Ausgabe und online auf Tagespiegel+
Zusammenstellung: Heun
Foto 2: Tagesspiegel