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Cybercrime

Wissenschaftlicher Fachabend
Tatort Internet

Cybercrime – Tatort Internet. Welche Gefahren begegnen unseren Kindern, wenn sie im Internet kommunizieren? Wie können Eltern ihre Kinder fit machen, sich sicher und gefahrlos im weltweiten Netz zu bewegen?

Dies waren die Leitfragen für einen beeindruckenden Vortrags- und Diskussionsabend der Mary-Poppins-Grundschule und des Hans-Carossa-Gymnasiums. 100 Eltern je Schule konnten sich für diesen thematisch aktuellen und für viele auch persönlich bedeutsamen Themenabend anmelden. Das Interesse war groß.

 

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Das PANEL, hochkarätig besetzt, medienerfahren und performancefreudig

 

TOYAH DIEBEL
aka @toyahgurl ist Podcasterin, Bloggerin und nimmt gern Influencer auf die Schippe.
Auftritte bei Nuhr und bei Böhmermann.
Kampagne „Dein Kind auch nicht“

THOMAS-GABRIEL RÜDIGER
Cyberkriminologe am Institut für Polizeiwissenschaft. Promoviert über „Cyber-Grooming in virtuellen Welten“.
Begeisterter Gamer.

JULIA VON WEILER
Diplom-Psychologin, Autorin
Geschäftsführerin von „Innocence in Danger“ (Bewegung gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern)

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DIE BLOGGERIN und ihre Kampagne

 

Mir ist es sehr wichtig, immer selbst entscheiden zu können, welche Informationen ich von mir preisgeben möchte und welche nicht.

Fast jeder kennt das Gefühl, ein Bild von sich selbst online zu sehen, das man nicht online sehen möchte. Egal, ob es mit oder ohne Absicht im Internet gelandet ist; dieses Bild dann wieder aus dem Internet raus zu bekommen, ist leichter gesagt als getan.

Von vermeintlich süßen, vollgekotzten Kindern bis hin zu geschminkten Babys in Strapsen mit eindeutig anzüglichen Kommentaren, darunter gibt es scheinbar nichts, was nicht legal und für jedermann öffentlich verfügbar wäre.

 

Dabei will die Bloggerin Toyah nicht allen Eltern bewusstes, fahrlässiges Verhalten vorwerfen. Oft, so meint sie, fehle es an Medienkompetenz und Weitsicht, was achtlos gepostete Bilder der eigenen Kinder anrichten oder wozu sie missbraucht werden können.

In ihrem Vortrag verdeutlicht Toya Diebel diese Situation ungewollter Abbildungen mit zahlreichen, anschaulichen Beispielen und stellt die von ihr initiierte Kampagne DEIN KIND AUCH NICHT vor.

 

Model: Toyah

Model: Wilson Gonzales Ochsenknecht

Fotos: https://deinkindauchnicht.org

Deutliches Ziel der Aktion ist es, auf die Problematik von Kinderbildern auf Instagram und Co. aufmerksam zu machen. Die Medienreaktion war erheblich. Der Stern schrieb in aktuellem Deutsch: Die Aktion „geht gerade viral“.

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DIE PSYCHOLOGIN über sexuelle Gewalt mittels Medien

Julia von Weiler kennt sich aus. Sie spricht über den Einfluss digitaler Medien und wie diese die Beziehungs- und Handlungsspielräume verändern, auch die im Bereich der Sexualität. Sie nennt Beispiele sexueller Gewalt mittels Medien und zeigt die „Handlungsstrategien der Täter und Täterinnen“ auf.

Da spricht eine gestandene Psychologin mit viel Erfahrung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Julia von Weiler arbeitet seit 1991 zum Thema „sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ in unterschiedlichen ambulanten und stationären Institutionen. Seit 2003 leitet sie die Geschicke von Innocence in Danger e.V., einer weltweiten Bewegung gegen sexuellen Missbrauch von Kindern, insbesondere gegen die Verbreitung von Kinderpornographie durch die neuen Medien.

In ihrer umfangreichen wie äußerst lebendigen Präsentation geht sie dabei auch auf andere Erscheinungen wie Sexting, dem Verschicken von sexuellen Texten, Filmen und Fotos, z.B. Dick Pics (Penisfotos).

Ausgangspunkt ihres entwicklungspsychologisch orientierten Konzepts ist die Tatsache, dass der Präfrontale Cortex als Sitz von Nachdenken, Entscheidung und Planung die meiste Zeit zur Entwicklung braucht: Er entwickelt sich im Alter von 20 bis 25 Jahren. Und im O-Ton:

Der Präfrontale Cortex ist quasi zuständig für den gesunden Menschenverstand. Kinder und Jugendliche bekommen also in einem Alter digitale Geräte – das Hosentaschen-Internet mit all seinen Chancen und Risiken –, in dem sie noch gar nicht in der Lage sein können, die Konsequenzen ihres Handelns zu verstehen.

Die nahe liegende Konsequenz: Eltern sind aufgefordert, Kinder und Jugendliche aufzuklären und zu ermutigen, ihnen zu helfen und sie fit zu machen für den Umgang mit dem Internet.

Dabei – so die Psychologin – hilft es, sich mit dem eigenen Internetverhalten auseinanderzusetzen und den kreativen Umgang mit den digitalen Medien zu fördern: Musik, Video, Fotografie.

Zur Information und Unterstützung der Eltern nennt Julia von Weiler zahlreiche Angebote, u. a. ihrer Webseite>.

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DER LEIDENSCHAFTLICHE CYBERKRIMINOLOGE

Leidenschaftlicher Kriminologe und Gamer – so stellt sich Thomas-Gabriel Rüdiger auf seinem Instagram-Account vor. Und von ähnlicher Energie ist auch seine vital-lebendige Vortragsart, die häufig seine Lust am Performen aufblitzen lässt.

Als Mann der Praxis beginnt er mit einem handfest anschaulichen Vergleich: Um Kinder fit zu machen für ein gefahrloses Verhalten im Straßenverkehr werden ihnen viele Hinweise und Erziehungsakte zuteil – zu Hause von den Eltern, in der Kita, in der Schule und schließlich im Unterricht zum Führerschein. Und wie steht‘s mit der Vorbereitung auf ein gefahrloses Verhalten im Internet-Verkehr?

Der Mann der Polizei gibt Beispiele von Gefährdungen im Internet, von denen manche der anwesenden Eltern kaum gehört haben. Dass man besser keine Bikini-Fotos von Kindern ins Netz stellt, das ist leicht einsichtig. Und Online-Spiele scheinen unverdächtig. Doch – so der Kriminologe – in den Chatrooms zu den Online-Spielen treiben sich auch Sexualtäter herum, auf der Suche nach Opfern, und Karaoke-Portale arbeiten mit GPS-Angaben, sodass der Wohnsitz leicht herausgefunden werden kann. Auch in sogenannte Beichtforen sind Täter auf der Suche.

Neben seiner Tätigkeit als Akademischer Rat am Institut für Polizeiwissenschaft der Fachhochschule der Polizei im Lande Brandenburg sitzt der bewegte Mann Rüdiger auch an einer Doktorarbeit. Thema:  „Cyber-Grooming in virtuellen Welten“.

Cyber-Grooming:

gezieltes Ansprechen von Kindern oder Jugendlichen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte.

Es kann sich demnach auch um eine besondere Form der sexuellen Belästigung im Internet handeln. Meist findet jedoch die Kontaktaufnahme mit der konkreten Absicht statt, sexuellen Missbrauch online (Chat, Fotos, Videos, „Sexting“, Erpressung z.B. von pornografischen Videoaufnahmen) oder offline bei realen Treffen anzubahnen.

Wikipedia  

Was tun?

Großes Ziel müsse es sein, „einen sicheren digitalen Raum für alle Altersgruppen zu schaffen.“ Ein großes gesellschaftliches Ziel! Und was rät der Kriminologe den Eltern?

1.Expertin werden

2. Erklärbär sein

3. Vorbild sein

4. Vertrauensperson sein

 

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ELTERN UND LEHRER fragen und diskutieren mit

Obwohl die Veranstaltung schon über zweieinhalb Stunden gedauert hatte, ergab sich eine lebhafte Diskussion.

Zum Beispiel: Wie weit sind Eltern für die Postings ihrer Kinder in einem Chat verantwortlich? Sollten sie sich ansehen bzw. zeigen lassen, was ihre Kinder schreiben. Wie steht‘s mit dem Briefgeheimnis? Viel sagen da: „Ich vertraue meinem Kind“. Reicht das? – Da waren die Antworten unterschiedlich, auch auch im Hinblick auf das jeweilige Alter des Kindes bzw. Jugendlichen.

Eine Mutter erzählte, dass ihre Tochter ein Dick Pic von einem Jugendlichen erhalten habe. Der Kriminologe empfahl, die Botschaften zu sichern und umgehend Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Das Handy müsse dann für eine gewisse Zeit der Polizei überlassen werden. Die Zusendung eines Penisfotos sei Verbreitung von Pornografie und nach § 184 Strafgesetzbuch strafbar.

Die Psychologin riet, Kinder nicht gleich mit dem Verdikt des Kriminalparagrafen zu erschrecken und zunächst das verständnisvolle Gespräch zu suchen.

Eine andere Mutter berichtete, dass ihr elfjähriger Sohn Fortnite online spielen wollte. Die Mutter zögerte, es ihm zu verbieten, weil die Mehrheit seiner Klassenkameraden auf dieser Plattform unterwegs war.

Julia von Weiler plädierte massiv für die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu beschützen, das heiße im Zweifelsfalle auch, sie zu beschränken und den Dissens auszuhalten. Dann stehe es an, mit dem Kind eine Lösung auszuhandeln.

Die Instagrammerin Toyah mit ihren 50 000 Followern fügte an, dass es auch auf Instagram schlimme Inhalte gebe. Sie erhalte fast täglich Dick Pics. 

Kontrovers blieben die Vorstellung zu der Frage, ob Eltern in die Whats-App-Klassenchats ihrer Kinder Einblick nehmen sollten oder gar dazu verpflichtet seien. Die Psychologin setze in diesem Fall auf ein Vereinbarung zwischen Eltern und ihren Kinder, über deren Verhalten im Klassenchat.


Thomas-Gabriel Rüdiger zeigt das Brett-Spiel FREE HIP, Element eines brandenburgischen Schulprojekts gegen Cybermobbing.

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NACHKLANG

Das war viel! Viel, was man da von hochkarätigen Profis zum Thema Täter im Internet erfahren musste und erfahren durfte. Wäre das Thema nicht so brisant, wäre das Panel nicht so aspektreich und wären die Vortragenden nicht so engagierte und eloquente Performer gewesen, dann hätte man die drei Stunden und zwanzig Minuten aula-sitzend kaum ertragen.

Da es aber eine reiche, tragende und bedeutsame Veranstaltung war, ging das alles prima, selbst bei einer Abendtemperatur von über 30 Grad. Dafür gilt den Vortragenden großer Dank, und die beiden veranstaltenden Schulen, die Mary-Poppins-Grundschule und das Hans-Carossa-Gymnasium, können stolz darauf sein.

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ANSPRECHPARTNER/INNEN IN DER SCHULE

Vertrauenslehrer/in

Frau Seel
seel@hcog.de
Herr Hentschel
hentschel@hcog.de
Frau Dönertas
doenertal@hcog.de

Sozialpädagogin

Frau Müller
a.mueller@tjfbg.de
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Schulleiter

Herr Rußbült
russbuelt@hcog.de

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Text: Manfred Heun
Fotos: Heun; Toyah (2); Rüdiger (1); Innocence in Danger (1); Cescon (1), FH Polizei Brandenburg (1)